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Dezember 2016

Tragfeste soziale Beziehungen sind ein wichtiger Gesundheitsfaktor.
– Zürcher Gesundheitsbericht: Soziale Beziehungen und Gesundheit
– Quartierentwicklung: Möglichkeitsräume schaffen
– Kantonales Schwerpunktprogramm: Suizidprävention konkret
– Fokus Gemeinde: Gemeinsam alt werden
– Vereinsarbeit: Cornelia Hürzeler im Interview

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Soziale Beziehungen und Gesundheit

Der neue Zürcher Gesundheitsbericht zeigt für die Wohnbevölkerung des Kantons Zürich anschaulich auf: Wer sozial wenig integriert ist und sich häufig einsam fühlt, hat mehr gesundheitliche Probleme, zeigt ein ungünstigeres Gesundheitsverhalten und nimmt öfter Gesundheitsleistungen in Anspruch.

Soziale Beziehungen und Gesundheit

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hat der berühmte französische Soziologe Emile Durkheiauf die Bedeutung der sozialen Gemeinschaft und der Familie als Schutz vor Suizid und Krankheiten hingewiesen. Seither haben zahlreiche Studien die präventive und protektive Wirkung von sozialen Beziehungen untersucht und belegt. Der neue Gesundheitsbericht «Soziale Beziehunge und Gesundheit im Kanton Zürich» bestätigt diese Befunde und die internationalen Studienergebnisse
eindrücklich.

Ungleich verteilte soziale Ressourcen
Wie sich zeigt, gibt es in Bezug auf die sozialen Beziehunge sehr grosse Unterschiede in der Zürcher Bevölkerung. Je nach Alter, Bildungsniveau, Einkommen oder Haushaltsgrösse sind positive und unterstützend oder konfliktive soziale Beziehungen unterschiedlich häufig. Im Kanton Zürich sind folgende Personengruppen vergleichsweise wenig sozial integriert:

– Alleinlebende
– Rentnerinnen und Rentner
– Wenig Gebildete
– Einkommensschwache

Diese im Bericht gesondert untersuchten Bevölkerungsgruppen, ie sich teilweise auch überschneiden, weisen nicht nur einen relativ geringen Grad an soziale Integration auf, sondern haben auch vermehrt Einsamkeitsgefühle und überdurchschnittlich häufig gesundheitliche Probleme.

Soziale Isolation als Gesundheitsrisiko
Der Zusammenhang zwischen geringer sozialer Integration und relativ schlechter Gesundheit erweist sich als ziemlich stark und wird belegt durch verschiedene Gesundheitsindikatoren (vgl. Abb. 1). Beispielsweise ist das statistische Risiko, an starken Rücken-, Nacken- oder Schulterschmerzen zu leiden, bei sozial wenig integrierten Zürcherinnen und Zürchern fast dreimal höher als bei gut integrierten. Das Risiko für starke Schlafstörungen ist mehr als viermal, dasjenige für mittel­schwere bis schwere Depressionen gar über achtmal höher, wenn jemand sozial isoliert ist. Auch die Wahrscheinlichkeit, gleich mehrere dieser Gesundheits­probleme zu haben, ist bei sozial wenig integrierten Zürcherinnen und Zürchern viermal höher (44%) als bei hoch integrierten (11%). Am Deutlichsten zeigt sich der Zusammenhang jedoch in Bezug auf die selbsteingeschätzte Lebensqualität. Wer nur in geringem Masse integriert ist, weist im Vergleich zu den hochgradig Integrierten ein dreizehnfach höheres Risiko für eine vergleichsweise schlechte Lebensqualität auf.

Dabei kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, dass umgekehrt (oder zusätzlich verstärkend) solche Gesundheitsprobleme ihrerseits zu einem sozialen Rückzug und in die soziale Isolation führen können.

Häufigere Arztbesuche 
Darüber hinaus geht eine geringe soziale Integration auch mit einer erhöhten Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen einher (vgl. Abb. 2). Ob jemand häufig in ambulanter Behandlung ist, d.h. öfters eine Ärztin oder einen Arzt konsultiert, oder in Behandlung wegen einem psychischen Problem ist, erweist sich als umso wahrscheinlicher, je geringer der Grad der sozialen Integration ist und je häufiger entsprechend Einsamkeitsgefühle berichtet werden. Ob eine im Kanton Zürich wohnhafte Person in stationärer Behandlung bzw. in Spitalpflege ist oder nicht, scheint allerdings nicht entscheidend vom Grad der sozialen Integration abzuhängen. 
Eine mögliche Erklärung für diese unterschiedlichen Befunde ist, dass stationäre Behandlungen infolge von akuten medizinischen Notfällen oder schweren Erkrankungen naheliegenderweise weniger mit dem „sozialen“ Wohlbefinden oder mit allfälligen Beziehungsproblemen, Einsamkeitsgefühlen usw. zusammenhängen – ganz im Unterschied zu häufigen Arztbesuchen oder psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Behandlungen. 

Einsamkeit macht krank
Eine mangelnde soziale Integration geht wie erwähnt und wenig überraschend mit einer Häufung von Einsamkeitsgefühlen einher, was sich wiederum ungünstig auf die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten auswirkt. So nimmt beispielsweise der Konsum von psychotropen, stimmungsaufhellenden Medikamenten stark zu mit steigender Häufigkeit von Einsamkeitsgefühlen. Überhaupt scheinen sich gesundheitliche Risiken und Nachteile zu kumulieren, wenn Risikomerkmale kombiniert auftreten; wenn sich also etwa bei Einkommensschwachen und wenig Gebildeten zusätzlich zu ihrer sozialen Benachteiligung auch noch eine gewisse soziale Isolation oder häufige Einsamkeitsgefühle gesellen. 
Personen mit geringer Bildung weisen an sich schon eine schlechtere Gesundheit und ein ungünstigeres Gesundheitsverhalten auf als solche mit hoher Bildung. Tritt nun aber geringe Bildung auch noch in Kombination mit sozialer Isolation auf, so sind etwa kumulierte Gesundheitsprobleme dreimal häufiger (49%) als bei der Allgemeinbevölkerung (15%). Ähnlich verhält es sich bei den Einkommensschwachen, die insgesamt schon relativ häufig (27%) gleich mehrere Gesundheitsprobleme aufweisen, aber noch weit häufiger (74%), wenn sie sich zugleich oft einsam fühlen (vgl. Abb. 3). Auch Alleinlebende sowie Pensionierte, denen es gesundheitlich gesamthaft nicht – oder nicht viel – schlechter geht als der Allgemeinbevölkerung, sind, wenn häufige Einsamkeitsgefühle als Ausdruck von fehlenden Sozialbeziehungen dazukommen, besonders stark psychisch belastet und gesundheitlich beeinträchtigt (vgl. Abb. 4). 

Ein unterschätzter Faktor
Die Gesundheit, das Gesundheitsverhalten und die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen der Zürcher Bevölkerung hängen stark mit der Quantität und Qualität der sozialen Beziehungen zusammen. Soziale Beziehungen sind ein häufig unterschätzter und gerne vernachlässigter, dabei aber höchst bedeutsamer gesundheitlicher Faktor. Vor allem ein geringer Grad an sozialer Integration sowie häufig empfundene Einsamkeit bedeuten ein zusätzliches Gesundheitsrisiko. Dies verdeutlicht der neu erschienene Zürcher Gesundheitsbericht eindrücklich.

PD Dr. Oliver Hämmig 
Bereichsleiter Gesundheitsberichterstattung
Institut für Epidemiologie, 
Biostatistik und Prävention
Tel. 044 634 46 82, oliver.haemmig@uzh.ch